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02.08.2022 mir fehlen die „richtigen“ Worte

Autorenbild: Rita JuriRita Juri

Gestern ging es endlich los, statt um 7 Uhr morgens, um 12 Uhr Mittags 😉 es war nicht ganz einfach, einen Mietwagen zu bekommen, meinte Yunus, besonders zu einem vernünftigen Preis und in einem einigermassen annehmbaren Zustand. Wir fahren nun einen Suzuki, Jahrgang 1989 🤣, zum Preis von stolzen 27 € pro Tag.

In der Stadt Masaka legten wir einen Stopp ein, um Lebensmittel für die Kinder hier zu kaufen. Wieder mal Maismehl, Reis, Bohnen, Zucker, Seife, Speiseöl und Taschenlampen mit Batterien, da sie in Rakaj im Waisenhaus keinen Strom haben. Dies im Wert von rund 800.000 UGX (ca. 210 €).


Als wir um 17 Uhr dann ankamen, hatten die Arbeiter bereits rund 4 Meter tief gegraben, von Hand versteht sich!!! Ich habe mit einem Maschinenpark gerechnet, nix da, es wird geschaufelt und gepickelt. Ich verspüre eine Hochachtung vor derer Leistung. Wenn man bedenkt, die Prognose ist, 24 – 30 Meter tief zu graben…..


Die Kinder und Vincent, der Schulleiter haben sich gefreut über die Lebensmittel, freudestrahlend sah er die Kinder an und meinte, morgen gibt es Frühstück 🤩🤩🤩, Porridge, mit Zucker 🤩. Und dann gibt es auch Mittagessen! Die Kinder hielten sich nicht länger zurück und tanzten und sangen vor Freude. Wie schön und gleichzeitig beschämend für mich selbst. Mit "so wenig" machen wir 200 Kinder, deren Lehrer und den Schulleiter mit seiner Familie glücklich und sie zeigen ihre Freude ohne Scham oder falsche Zurückhaltung.

Essen bekamen wir wieder in der Schule, diesmal brachte mir Vincent bereits zwei Teller, einen für mich zum Essen, den anderen damit ich mit den Kindern rundherum teilen kann😊. Das Essen hier schmeckt mir mässig, aber ehrlich, ich traue mich nicht, etwas nicht zu essen, weil es mir nicht schmeckt, rundherum sind hungrige Kinder die dankbar sind um jeden Bissen. Zudem sind die Möglichkeiten hier in Rakaj eher bescheiden, irgendwo etwas anderes zu essen zu bekommen.


Vincent und Yunus brachten mich zum Hotel, welches Vincent für mich ausgesucht hat, naja, auch hier gilt, die Auswahl ist bescheiden 😉. Die Cottages sind herzig, wenn auch nicht sauber. Aber auch da gilt, wie soll ich jammern, wenn ich an die Kinder im Waisenhaus denke. Aktuell hätten sie gerade Wasserprobleme, meint der Hotelmanager, leider gibt es kein fliessend Wasser, okay, auch das noch. Ich kämpfte wirklich mit mir selbst. Am liebsten wäre ich sofort zurückgereist, aber ich halte durch. Yunus wollte sich verabschieden, er meinte, dieses Hotel sei ihm zu teuer, das könne er sich nicht leisten. Ja genau, und ich soll ganz alleine hierbleiben? Das geht ja wohl gar nicht. Kurzentschlossen teilte ich ihm mit, dass seine Hotelkosten auf unser Budget gehen, 26 €pro Nacht, pro Person, das muss einfach drin sein. Er nahm es sehr dankbar an🥰.

Auch heute am Morgen noch kein Wasser, keine Dusche und keinen Kaffee!!! Dafür ein Frühstück mit frischem Saft, trockenem Toastbrot und einem Ei, das ich nicht essen konnte. Es ist echt herausfordernd hier zu sein. Aber okay, da muss ich durch. Wir sind dann losgefahren, um die Baumaterialien vor Ort zu kaufen, respektive zu bestellen und zu bezahlen. Wir sind tatsächlich noch immer im Budget🤩, da bin ich schon ein wenig stolz auf Yunus. Er kämpft wirklich darum, dass die Preise laut Angebot eingehalten werden.


In der Stadt entschied ich, den Arbeitern etwas zu essen mitzubringen, frisches Chicken und Ciabatti, so eine Art Fladenbrot, etwas anderes war nicht aufzufinden. Die haben sich so gefreut und sind nach dem Essen vollmotiviert wieder runtergestiegen um weiter zu graben ❤️. Echt ein WAHNSINNS-JOB den die da machen. Die Konstruktion oben dient dazu, die ausgebuddelte Erde hochzuziehen und auch die Arbeiter, hoch- und runterzulassen. Heute werden sie wohl auf 8 - 10 Meter gekommen sein🤩🤩🤩🤩? Es hat geregnet und es ist kühl. Keine angenehme Arbeit in dieser Zeit. Und doch, sie sind so stolz und ich zeige ihnen meine Freude und Hochachtung vor ihrer Leistung sehr gerne und ganz offen. Das scheinen sie sehr zu geniessen und arbeiten tapfer weiter.


Dann sahen wir ein paar Mädchen, mit vollen Tellern mit Essen zum Waisenhaus hoch gehen. Vincent fragte, wohin sie gehen mit dem Essen. Es wären ein paar Mädchen krank, meinten sie, sie bringen ihnen etwas zu essen. Ich wollte natürlich nachsehen gehen. Und da lagen sie auf dem Boden, zusammengerollt, rund 5 Mädchen, eine heisser wie die andere. Auf meine Frage was ihnen den fehlt, meinte Vincent, sie hätten Malaria. Ob sie geimpft sind, wollte ich wissen? Vincent meinte, er hoffe. Andernfalls wäre es wirklich gefährlich. Die Malaria-Impfung ist kostenlos hier in Uganda, jedes Kleinkind sollte sie erhalten. Aber da die Krankenhäuser so weit entfernt sind, ist unklar, ob die Eltern die Möglichkeit hatten, die Kinder zu impfen.

Was können wir tun, war meine nächste Frage? Vincent meinte, er hätte ihnen gestern schon ein Schmerzmittel gegeben, denn nebst Fieber seien Kopfschmerzen eine der häufigsten Nebenwirkung von Malaria. Ich erkundigte mich nach Malariamedikamenten, das können sie sich leider nicht leisten, aber ich solle mir keine Sorgen machen, vielleicht ginge es den Mädchen morgen schon besser….


Ja genau, ich und mir keine Sorgen machen, wenn ich diese Kinder sehe, im Alter zwischen 10 und 15 Jahren, in einer Behausung, die ganz einfach unzumutbar ist für Menschen. Wir diskutierten über Moskitonetze, die wären dringend erforderlich, aber wie denn, wenn 37 Mädchen auf engstem Raum zusammen schlafen? Alles ist offen, keine Fenster, nur zugenagelte Öffnungen, wo eigentlich Fenster sein sollten. Das Dach hat Löcher, die Türe schliesst nicht richtig, ich sehe keine Chance, hier sinnvoll Moskitonetze anzubringen. Es müsste über den gesamten Raum ein riesiges Moskitonetz gezogen werden, nur wie? Und wo? Alles ist eh schon schmudelig, ein Graus und das Netz müsste immer geschlossen gehalten bleiben. Das ist nicht realistisch, wenn die Kinder die ganze Zeit ein- und ausgehen. Ich bin ratlos. Als erstes müssen wir zur Apotheke fahren und den Kindern Medikamente kaufen, das ist klar. Weiter bin ich bis zum jetzigen Moment nicht gekommen. Leider. Wenn wenigstens jedes der Kinder ein eigenes Bett hätte, dann könnten die Netze gespannt werden, aber so???

So fuhren wir los und kauften Malariamedikamente, 240 Tabletten, die Behandlung ist altersabhängig. 2x pro Tag 2 Tabletten für Kinder von 3 – 9 Jahren, 2x pro Tag 3 Tabletten für Kinder zwischen 10 und 14 Jahren und 2x 4 Tabletten täglich ab 15 Jahren. Zusätzlich Schmerzmittel, auch dosiert pro Alter. Diese Kur müssen sie während 3 Tagen machen, dann sollten sie wieder fit sein, falls nicht, müssten sie ins Krankenaus für eine Infusion. Diese 240 Tabletten inkl. 200 Schmerztabletten kosteten 12€! Dazu kaufte ich noch Wasser, damit die Medikamente wenigstens mit frischem Wasser einnehmen können. So können wenigstens einige Kinder hoffentlich gut behandelt werden, ist das nicht einfach unglaublich und richtig unfair?


Ich könnte schreien, einmal mehr, über so eine ungerechte Einrichtung unserer Welt. Was können denn Kinder dafür, dass die Politik den Rachen nicht vollkriegt. Ich würde die alle am liebsten abholen in ihren chicen Villen und hierherbringen, mitsamt ihren Kindern. Am besten mit Kost und Logie. Auf meine Kosten. Dann würde ich gerne mal sehen, ob sie ihre Augen noch immer verschliessen könnten….Dieses Elend kann einen nicht kalt lassen.

Nachdem ich den Mädchen die Medikamente verabreicht hatte und die Frau, die mit den Mädchen lebt, eingeschult habe, wann und wieviele Tabletten die Kinder als nächstes brauchen, gingen wir zurück zur Schule und zur Frischwasserbohrung.


Da konnte ich mich einwenig beruhigen, weil wir hier ja doch den ersten Schritt zu einer Verbesserung ihrer Situation schaffen können ❤️.

Die grösseren Kids schreiben diese Woche Examen, da dieses Term nun abgeschlossen ist. Die Kleinen sind draussen und spielen. Plötzlich bin ich mittendrin, sie machen Seilhüpfen, wir erfinden einen Wettbewerb zwischen Jungs und Mädchen, sie sind voll mit dabei und freuen sich wie Schneekönige über jeden Punkt der jeweiligen Mannschaft. Zudem müssen sie laut mitzählen, in Englisch, spielend lernen 😉.


Danach kommt plötzlich ein Ball ins Spiel, wir spielen Fussball. Ich sagte zu Yunus mehr im Spass, wir brauchen Tore. Das liess er sich nicht zweimal sagen. Sofort ging er mit einigen Jungs los und sammelte Äste mit ihnen. Diese schlugen sie in die Erde ein, fertig war der Fussballplatz mit den Toren. Yunus machte 2 Mannschaften, in einer spielte er selbst mit, und dann gings los. Gott hatten die Kinder eine Freude. Um die zwei Mannschaften zu unterscheiden, hat die eine Mannschaft einfach ihre T-Shirts ausgezogen, somit war klar, wer in welcher Mannschaft spielt 😊.


Es war ein schöner und friedlicher Abend, die Kinder haben die Aufmerksamkeit sichtlich genossen und ganz bestimmt auch verdient ❤️. Um 19 Uhr sind wir dann gefahren, die Kinder fragten, ob wir morgen wohl wieder da seien. Sind wir, ja sicher ❤️.

Und nun bin ich in meinem Cottage und fühle mich, ich weiss nicht wie. Auf der einen Seite immer noch total euphorisch, da wir den Kindern hoffentlich bald Frischwasser zur Verfügung stellen dürfen, auf der anderen Seite, als ob ich ein Fass ohne Boden aufgemacht hätte. Für die zwei Räume, in denen die Waisenkinder untergebracht sind, bezahlen sie Miete. Je 100.000 UGX, umgerechnet für beide rund 53 €. Der Vermieter hat von 80,000 auf 100,000 erhöht. Er stand am Abend plötzlich auf dem Spielfeld, weil er Yunus gesehen hat und machte ihm Vorwürfe. Anscheinend sei die Juli Miete noch nicht bezahlt. Yunus meinte, er wolle sie rausschmeissen, wenn sie nicht regelmässig bezahlen. Vincent konnte den Vermieter dann beruhigen und meinte zu ihm, wir werden eine Lösung finden. Versteht ihr, dann muss um diesen Stall noch gebettelt werden. Das ist einfach menschenunwürdig.

Ich habe keine Ahnung was es kostet, ein Haus aufzustellen hier. Aber ich denke, ich werde das rausfinden müssen. Diese Kinder brauchen ein anständiges Zuhause. Und eine anständige Schule. Und dann eine Krankenstation in der näheren Umgebung. Grosse Träume schaffen kleine Realitäten. Diese grossen Träume werde ich in meine neue Hilfs-Organisation mitaufnehmen. Ich kann und möchte die Augen nicht mehr verschliessen, die Not anderer Menschen einfach wegschieben und vergessen. Ich möchte kämpfen und etwas erschaffen für sie. Weil sie es verdient haben. Sie haben den selben Wert wie wir, bezahlen aber in einer anderen Währung, mit Krankheiten, Hunger, Armut, und Tod.

Obwohl, manchmal, wenn ich so gross Träume, erscheint es mir hoffnungslos, etwas verändern zu können. Dann wünschte ich mir, ich könnte meine Augen verschliessen und meine Gedanken an diese Menschen verbannen.

Das geht nun nicht mehr, ich habe es gesehen, mich mit ihnen angefreundet und sie gespürt. Für mich sind es Träume, ihnen ein besseres Leben, eine bessere Zukunft zu schaffen, aber eigentlich, ganz ehrlich, bin ich der Überzeugung, dass ich nur um ein Grundrecht für sie kämpfen möchte. Ein einigermassen anständiges Dach über dem Kopf, Mahlzeiten, Bildung und ärztliche Versorgung.

Kürzlich, bei Jörg und Pia zuhause in Südafrika, habe ich gelesen „don´t call it Dreams, call it Plans“.

Also lasst uns Pläne schmieden, wie wir es schaffen könnten, meiner Organisation mehr Gehör zu verschaffen ❤️ und den Menschen hier ihr Leben weiter zu verbessern.

Ich möchte auf keinen Fall undankbar erscheinen, für all das was ihr bereits möglich gemacht habt in den vergangenen Monaten ❤️. Im Gegenteil, ihr habt mich bestärkt, diesen Weg weiterzugehen, die Augen nicht zu verschliessen und anzupacken, wo immer ich es als richtig und wichtig erachte. Dafür bin ich euch endlos dankbar, jeder/jedem Einzelnen von euch. Nun aber wird es an der Zeit, den Bogen weiter zu spannen und weitere Kanäle zu finden, wo wir gehört werden. Ich bin so motiviert, durch euch, und wegen euch und wegen der vielen positiven Gefühle und Erfahrungen, die ich im Rahmen meiner Arbeit hier in Afrika machen durfte und noch immer mittendrin bin und machen darf ❤️❤️❤️. Wenn ich zuhause bin, werde ich mir die notwendigen „Bühnen“ suchen.


Alles Liebe für euch und bis bald, ihr wisst, ich melde mich mit meinem 100. Beitrag wieder, wenn wir Wasser haben (also nur, wenn es nicht zulange dauert, bis sie beim Wasser angekommen sind, andernfalls müsste ich euch vorher wieder ein Update geben) und das Wasser wäre dann der 101. oder 102. Beitrag, was auch vollkommen in Ordnung wäre. In 20 Tagen steige ich in den Flieger Richtung Heimat. Nach dieser Extrem-Erfahrung hier in Uganda und der Steigerung hier in Rakaj bin ich echt dankbar, wieder einmal nach Hause zu kommen ❤️❤️❤️.


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