Vollgetankt! Unvergessliche Erlebnisse, spannende Begegnungen, grossartige Kulinarik, tolle Gespräche und magische Naturmomente – all das nehme ich aus den vergangenen Tagen mit. Aber auch grosse Vorfreude begleitet mich. Vorfreude auf die Kids, denn sie haben mir echt gefehlt. Diese Tatsache zeigt mir, wie stark und intensiv diese Verbindungen nach so kurzer Zeit schon bestehen und wachsen.
Heute darf ich den gemeinsamen Nachmittag mit den Mädels gestalten. Seit einigen Tagen befasse ich mich immer wieder mit möglichen Gruppenaktivitäten. Es soll spielerisch, einfach und doch sinnvoll sein. So habe ich mich also für drei Programmpunkte entschieden und die «Agenda» mehrfach vor meinem inneren Auge abspielen lassen. Unbewusste Erwartungen, kulturelle Unterschiede und ungeplante Flexibilität sind Bestandteil dieser neuen Erfahrung.
Vor unserem Programm schauen wir noch kurz bei den ganz Kleinen rein; sie halten grad ihren Mittagsschlaf. Ich bin immer noch baff, wie das hier funktioniert.
Als wir dann im Seeds4Kids eintreffen, taucht erstmal nur ein Mädel auf. Das verstärkt meine Aufregung etwas. Aber dann tröpfeln sie langsam nacheinander etwas verspätet ein. 12 Kinder sind da und wir starten. Wir bilden einen Stuhlkreis und ich erkläre das erste Spiel.
«Ich liebe Schokolade»
Alle Schokoladenliebhaber stehen auf. Alle die Schokolade mögen, aber nicht lieben, bleiben sitzen. Und alle die Schokolade nicht leiden können, setzen sich vor den Stuhl. Es geht der Reihe nach und kann mit Essen, Trinken, Aktivitäten oder Ähnlichem fortgesetzt werden. Ziel des Spiels ist es, den Kindern Gemeinsamkeiten und Unterschiede unabhängig von Alter, Hautfarbe, Herkunft, etc. aufzuzeigen. Das erste Mädel beginnt: «Ich liebe meine Familie». Alle stehen auf. Das zweite Mädel: «Ich liebe meine Freunde». Alle stehen auf. «Ich liebe Rita», «Ich liebe Janine», «Ich liebe Burger», «Ich liebe Chips»,... natürlich stehen dabei immer alle auf, das habe ich ehrlich nicht einkalkuliert. Ich versuche, mich nicht von der Eigendynamik nervös machen zu lassen und gebe hin und wieder Inputs, welche Richtungen möglich sind. Sie hören hin und setzen es um. So ergeben sich glücklicherweise doch noch spannende Einblicke für alle.
Leider war wohl meine Kameralinse nicht sauber, aber dennoch will ich euch diese Videos nicht vorenthalten:
Gordischer Knoten
Wir verschieben die Stühle etwas nach hinten und stellen uns in einen engen Kreis. «Schliesst die Augen». Danach werden alle Hände auf Kopfhöhe ausgestreckt und «blind» nach den anderen Händen gegriffen. Sobald alle Hände verbunden sind, öffnen wir die Augen und stehen vor einem Knoten, der gelöst werden will. Einzige Regel: die Hände dürfen nicht voneinander losgelöst werden. Somit wird mit vollem Körpereinsatz, Überlegungen und Absprachen entwirrt. Damit sollen Berührungsängste abgebaut und Kommunikation, sowie gemeinsame Lösungsfindungen gestärkt werden. Hier stelle ich die nächste Herausforderung fest, die ich nicht berücksichtigt habe. Die Kinder greifen teilweise an bereits «besetzte» Hände; so habe ich beispielsweise vier statt einer Hand an meiner Rechten. So kann unmöglich entwirrt werden. Wir starten erneut und erleben gemeinsame Erfolgsmomente, indem wir uns fast komplett befreien.
Stabile Stühle
Wir holen unsere Stühle und stellen uns hinter sie. Die rechte Hand darf nicht genutzt werden und muss hinter dem Rücken abgelegt werden. Mit der linken Hand kippen wir den Stuhl, sodass alle Stühle nur noch auf 2 Beinen stehen. Ziel ist, einmal im Kreis zu gehen, ohne dass die Stühle umkippen.
«3, 2, 1 und Go».
Alle switchen eine Position nach rechts und die ersten Stühle fallen. Die Kids sind schlau und meistern die zweite Runde mit Bravour.
Mohaka ist zwischenzeitlich auch eingetroffen und bringt einen tollen Input ein: «wenn der Stuhl fällt, bist du raus». So entsteht ein kleiner Wettkampf und die Siegerin wird von allen gebührend gefeiert.
Mein geplantes Programm ist schon durch. Und es ist grad mal eine von zwei Stunden vergangen. Ich werde etwas hibbelig und improvisiere mit anderen angedachten, verworfenen Ideen.
Blind nach Grösse sortieren
Nach der Action also etwas Entspannteres. Die Stühle werden auf die Seite gestellt und alle bewegen sich blind im Raum. Auf Los geht’s los und alle müssen sich blind nach Körpergrösse in einer Reihe einordnen. Auch hierbei geht es um Kommunikation und ums Miteinander. Innert wenigen Minuten haben sie es erfolgreich geschafft. Wir spielen es erneut nach Alter – diesmal aber mit geöffneten Augen. So sprechen sie sich ab; wer ist wie alt und wer hat wann Geburtstag.
Stocksteif im Kreis
Als nächstes halbieren wir die Gruppe – die Älteren und die Jüngeren, also je 6 Mädels. Sie stellen sich je zu fünft in einen Kreis und eines befindet sich mit verschlossenen Augen in der Mitte. Loslassen und Vertrauen ist hier die Devise. Das Kind in der Mitte macht sich steif wie ein Brett und lässt sich fallen. Die Mädels rundherum fangen sie sanft auf und bewegen sie in eine andere Richtung des Kreises. Ich zeige es bei den Grösseren vor und mache bei den Kleineren mit. Glücklicherweise hilft Mama dabei mit, denn alle brauchen Hilfe. Einigen fällt es ausgesprochen schwer, sich richtig fallen zu lassen. Wir vermitteln innerhalb der Gruppen Sicherheit, konzentrieren uns und zeigen damit, dass wir uns aufeinander verlassen können. Wie schön, wenn die ganze Gruppe mit etwas Zeit und Geduld spürt, wie sich ein angespanntes Kind in der Mitte nach und nach gehen lassen kann.
Zum Schluss üben wir gemeinsam das Gruppenlied, machen ein Gruppenfoto und besprechen den nächsten, gemeinsamen Nachmittag: denn am Donnerstag machen wir alle einen Ausflug, welcher mit dem Spendengeld von Jeannette ermöglicht wird. Die Kinder wissen bis jetzt nur, wann sie wo sein müssen. Alles weitere bleibt eine Überraschung – auch für euch.
Nach dem Programm hatte ich etwas mit mir selbst zu kämpfen, denn es verlief nicht so, wie ich es mir eigentlich ausgemalt habe. Aber zum Ende des Tages komme ich zum Fazit: es ist alles genau richtig und gut so, wie es ist. Denn die Kinder hatten Spass und ich lerne, loszulassen – es nehmen, wie es eben kommt – wie die Kinder es mich hier deutlich lehren.
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