Gestern war mein erster Einsatztag. Wie mir mein Halbbruder empfohlen hat, habe ich ein Safe-Boda bestellt, welches mich zu meinem Arbeitsplatz bringen soll. Die Safe-Boda-App funktioniert wie die Uber-App. Was sie da nicht alles haben đ .
Die Fahrt war abenteuerlich, Die sehen immer so gechillt aus, wenn sie hinten oben sitzen, ich habe mich krampfhaft festgehalten, bei all den Schlaglöchern und Verkehrsberuhigungen đ . WĂ€re ich nicht eh schon weiss, wĂ€re ich deswegen aufgefallen, weil ich ein fĂŒrchterlich verkrampftes Bild abgegeben haben muss đ đ đ .
Kurz vor 9 Uhr war ich da, ich ging wie abgemacht ins BĂŒro, niemand war zu finden, kein Moses, keine Barbara (Social-Workerin), so ging ich zu Miriam, sie ist die Leiterin der Nursery-School, sie hat mich dann zu den Kleinen gebracht.
Ich habe mich fĂŒr die jĂŒngste Altersgruppe entschieden, die sind zwischen 3-5 Jahren. Unglaublich, ehrlich, die haben richtig Schule da. Zwischen 20 und 40 Kinder pro Klasse, eine Lehrperson. Die lernen schreiben, lesen, rechnen, Farben, so wie bei uns in der ersten Klasse. Und das in dem Alter! Offensichtlich waren wĂ€hrend Corona die Schulen in Uganda fĂŒr 2 JAHRE geschlossen, das muss man sich mal geben, fĂŒr 2 JAHRE! So stimmt nun das Alter der Kinder nicht mehr mit der Klassenstufe ĂŒberein, die cleveren sind schon weiter, andere JahrgĂ€nge, die hĂ€tten starten sollen in den vergangenen 2 Jahren, starteten erst kĂŒrzlich neu und sind entsprechend Ă€lter. Ich bin beeindruckt, diese kleinen Wuzel lesen und schreiben schon richtig.
Der Unterricht findet so herrlich kindgerecht statt. Alles wird erklĂ€rt, in eine lustige oder spannende Geschichte verpackt, dann wird an der Tafel aufgeschrieben, dann schreiben die Kinder von der Tafel ab ins Schulbuch. Dazu kommen Hausaufgaben, jeden Tag. Zuhause mĂŒssen sie das gleiche nochmal aufschreiben wie in der Schule. Die Lehrerin hat mir erklĂ€rt, dass sie so ĂŒberprĂŒfen kann, wer verstanden hat und wer nichtâ€ïž. Wenn die Lehrerin sieht, dass einzelne Kinder mĂŒde werden, steht die ganze Klasse auf, dann wird kurz getanzt, damit der Kreislauf wieder in Bewegung ist, danach arbeiten sie konzentriert weiter. Wenn neue Wörter gelernt werden in Englisch, mĂŒssen die Kinder das neue Wort immer wieder wiederholen, erst leise, dann laut, dann noch lauter, so ist auch immer eine schöne Portion Spass zu sehen. Das finde ich wirklich sehr kindgerecht. Die Lehrerinnen kĂŒmmern sich sehr liebevoll um die Kinder, das ist schön zu sehenâ€ïž.
In der Pause wird ein grosser Eimer Porridge gebracht, jedes Kind erhĂ€lt eine Tasse voll, die es dann an seinem Platz in Ruhe isst. Da herrscht Disziplin, kein Umhergerenne mit dem Essen, vor dem Essen wird kurz gemeinsam gebetet, dann ist Ruhe und es wird gegessen. Einige Kinder haben selbst Snacks mitgebracht, diese essen sie zum Porridge dazu. Offensichtlich haben nicht alle Eltern genĂŒgend Geld, um den Kindern Snacks mitzugeben in den Pausen. Die grösseren Kinder kommen spĂ€ter und sammeln die Becher ein, bringen sie zur KĂŒche, wo sie abgewaschen werden. Alles lĂ€uft Hand in Hand, die Kinder helfen mit, sind ein Teil vom Ganzen.
ArbeitsblĂ€tter habe ich bis jetzt noch keine gesehen. Die Teacher schreiben den Kindern die Aufgaben in die Hefte, die Kinder fĂŒllen dann aus und geben die Hefte wieder ab. Jede Aufgabe wird korrigiert, bei guter Arbeit, zeichnet die Lehrerin eine Blume oder ein Herz. Sie hĂ€tten keine Sticker, meinte sie, aber die Kinder freuen sich ĂŒber jedes Lob â€ïž. Da gilt noch richtige Handarbeit.
Nach dem Essen dĂŒrfen die Kinder raus zum Spielen. Endlich hatten wir Zeit uns ein wenig kennenzulernen. Erst waren sie ganz schĂŒchtern, haben sich kaum getraut, zu mir zu kommen, komplett kontrĂ€r zu SĂŒdafrika-Kindern, die mir einfach in die Arme gerannt kamen, da gilt es, Freundschaft und Vertrauen aufzubauen. Nachdem sich die ersten gewagt hatten, kamen andere dazu und bald schon war ich umringt von den Kids. Wir haben einfach nur âKlatschspieleâ gespielt. Sie lernen schnell, sind interessiert und aufnahmefĂ€hig. Selbst die Jungs kommen hier zum Zuge đ.
Dieser Part hat mir grosse Freude bereitet und den Kindern auch.
Am Nachmittag war ich in der Primary-School, Grade 3, da sind die Kids zwischen 8 und 12 Jahren. Miriam hat Religionsunterricht erteilt. Sie haben die gleichen Lieder gesungen wie in SĂŒdafrika â€ïž, das hat mich sentimental gestimmt, war aber sehr schön. Ich durfte mich kurz vorstellen in der Klasse, ihr mĂŒsst euch vorstellen, eine Weisse ist hier wirklich etwas aussergewöhnliches. Ăberall auf der Strasse höre ich Muzungu, Muzungu. Auf meine Frage, was das bedeutet, kam die Antwort, Weisse. Okay, gefĂŒhlt 1000 Mal höre ich tĂ€glich Muzungu. So habe ich mich vorgestellt, dass ich zwar eine Muzungu bin, aber einen Namen habe, mein Name ist Rita. Die Kinder haben gelacht, Miriam meinte, nennen wir sie bitte Mama Rita â€ïž. So bin ich Mama von zusĂ€tzlichen ca. 30 Kindern dieser Klasse.
Unterrichtsbeginn an der Primary ist ca. 7 Uhr morgens, regulÀr bis ca. 17 Uhr, höhere Klassen bis 18 Uhr. Ohne weitere Worte.
Die Kinder haben Mittagspause, es wird gekocht fĂŒr die SchĂŒler, es dĂŒrfen aber nur die Kinder essen holen gehen, denen die Eltern das Essen bezahlt haben. Das erschĂŒttert. Man stelle sich so einen langen Unterrichtstag vor, ohne etwas zu essen zwischenzeitlich. Wasser muss geholt werden, es gibt kein fliessend Wasser in den GebĂ€uden der Primary-School. So gehen die Jungs der grösseren Klassen erst mal mit den Kanistern Wasser holen. Verglichen darf ich das hier nicht mit unserer Welt, sonst wird mir ĂŒbel.
Zur KlĂ€rung, die Nursery-School ist Part der Organisation, die Primary-School ist öffentlich vom Government. Und so sind die Regeln. Mir bricht das Herz auch hier wieder. Hier ist die Armut auf den ersten Blick sichtbar. Die Schuluniformen sind teilweise in einem erbĂ€rmlichen Zustand, die Schuhe wĂŒrde bei uns keiner mehr tragen. Die Schulzimmer gleichen einem Stall, menschenunwĂŒrdig wĂŒrde man bei uns sagen. Sie lassen sich nicht entmutigen, sie zeichnen farbige Poster die aufgehĂ€ngt werden, lachen und singen wann immer ihnen die Möglichkeit gegeben wird â€ïž.
Wenn ich Fotos machen möchte, frage ich sie immer zuerst, sie sind bis jetzt immer einverstanden, Bedingung, sie wollen die Fotos dann ansehen, und lachen und freuen sich dann ĂŒber die Bilderâ€ïž.
Miriam hat mir angeboten, auch zu unterrichten in der Schule, ich habe jedoch abgelehnt. Das ist es nicht was ich tun möchte. Was ich hingegen tun möchte, ist mir allerdings auch noch nicht klar. Die Strukturen sind fest vorgegeben, wo mein Platz sein kann, ist mir ein RÀtsel.
So ging ich dann stark verunsichert nach Hause nach diesem ersten Tag, ĂŒberlegte hin und her und kam zu keinem Schluss.
Bis ich wieder an die Lehre von Viktor Frankl dachte, es ist an der Zeit fĂŒr eine Einstellungsmodulation. Warum bin ich hier? Weil ich gerne helfen möchte. Wem möchte ich gerne helfen? Kindern in erster Linie. Hast du heute wem geholfen? Ja, die Kinder haben die Zeit mit mir genossen, wie es scheint. Also dann, weiter so, geh hin und verbringe möglichst viel von deiner Zeit mit den Kindern, alles andere wird sich weisen.
Heute in der FrĂŒh bin ich motiviert aufgewacht und bin voller Tatendrang an die Arbeit gefahren. Safe-Boda machts möglich đ. Den Vormittag habe ich in der Middleclass verbracht, da sind die Kinder zwischen 4 und 9 Jahren, auch in dieser Klasse findet so ein guter, praxisorientierter Unterricht statt. Ich bin ehrlich begeistertđ€©! Allerdings hat ein Lehrer hier echt zu arbeiten, auch diese Klasse hat rund 30 Kinder, auch hier keine ArbeitsblĂ€tter, alles wird von der Lehrerin in die Hefte geschrieben, TheoriebĂŒcher habe ich bis jetzt noch keine gesehen. Die Stimmung ist so gut im Klassenzimmer, das steckt mich an und reisst mich mit. In der Pause stĂŒrmen die Kleinen auf mich zu, sie wollen wieder Klatschspiele spielen, auch die Grösseren kommen dazu und möchten sich versuchen â€ïž. Heute waren sie schon viel zutraulicher als gestern, kommen nĂ€her, halten meine Hand, berĂŒhren meine Haare und meine Haut und ich ihre â€ïž.
Barbara und Moses waren heute auch hier, heute hat sich Barbara um mich gekĂŒmmert. Sie ist Social-Workerin und arbeitet seit 16 Jahren in dieser Organisation, wie sie erzĂ€hlt. Mit ihre konnte ich gut ĂŒber meine Orientierungslosigkeit sprechen, sie hat mich gut verstanden und gut aufgefangen. Sie meinte, ich solle mich doch an die Kinder im Kinderheim halten und mit ihnen arbeiten. Sie sind alle traumatisiert und können StĂ€rkung, Zeit und Liebe brauchen. (Danke Viktor Frankl, kaum Ă€ndere ich meine Einstellung, Ă€ndert sich auch meine Umgebung â€ïž).
von rechts nach Links, Miriam, Barbara, Salama (Praktikantin) und meine Wenigkeit.
Sie betreuen 15 Kinder im Kinderheim, das Ziel der Organisation ist jedoch, die Kinder zurĂŒck in deren Familien zu integrieren. Und da hilft die Organisation tatkrĂ€ftig mit. Zum einen finanziell, wenn es notwendig und richtig scheint, zum anderen jedoch auch mit psychologischer Begleitung und Betreuung. Ausserhalb des Kinderheimes begleitet diese Organisation rund 60 Kinder mit deren Familien. Wenn kein Weg in die Ursprungsfamilie mehr möglich ist, werden Pflegeeltern gesucht. Auch diese erhalten die volle und bestmöglichste UnterstĂŒtzung. Es gefĂ€llt mir was ich höre, am Abend wird Barbara mich zu einer Pflegefamilie in der Community mitnehmen, damit ich sehen kann, wie sie in solch Situationen vorgehen â€ïž. Eine TĂŒre nach der anderen öffnet sich â€ïž.
Heute Nachmittag war in der Primary-School Grade 7, da finden wir Kinder zwischen 12 und 17 Jahren. Auch ein Grund, warum die Altersdifferenz so gross ist, ist, weil manche Eltern es nicht schaffen, das Schulgeld zu bezahlen, dann bleibt das Kind halt einfach zuhause, bis wieder Geld da ist.
Auch in dieser Altersgruppe ein Ă€usserst spannender Unterricht, praxisbezogen, ausfĂŒhrlich, immer wieder ĂŒberprĂŒfend, ob die Kinder wohl verstanden haben, ich ziehe meinen Hut. Ehrlich! Goffrey ist Lehrer mit Herz und Blut, in seiner Klasse sind 50! Kinder. Er hat die Aufmerksamkeit von wirklich allen, er ist laut, begeistert, liebevoll, streng, ĂŒberprĂŒfend. Zum Schluss, nach 2 Stunden ErklĂ€rung und einer Aufgabe, welche die Kinder dann selbstĂ€ndig lösen mussten, alle richtig waren, war er so stolz und begeistert von seiner Klasse, fast wĂ€re er geplatzt. HERRLICH ehrlich! Auch so kann Unterricht sein. Auch auf dieser Stufe wurde gesungen, mussten alle aufstehen und sich wieder setzen, weil er bemerkt hat, dass einige mĂŒde wurden.
Zu Beginn der Stunde hat ein MĂ€dchen den Auftrag vom Lehrer bekommen, die Wandtafel zu beschriften, ihr seht die ganze Tafel gell? Sie scheint nicht nur riesig, sie ist es. Auch hier habe ich keine TheoriebĂŒcher gesehen, die Kinder haben alles von Wandtafel in ihre Helfte abgeschrieben.
Zum Schluss der Stunde singt die ganze Klasse ein Lied fĂŒr den Lehrer, indem sie sich bedanken fĂŒr den guten Unterricht und kundtun, wie sehr sie die ÂŽZeit und die Geduld des Lehrers schĂ€tzen. Da wird mir ganz warm ums Herz. So langsam erklĂ€rt sich mir die Herzlichkeit die diese Menschen in Afrika in sich tragen.
Bis bald wieder meine Lieben, ihr seht, so langsam wirds hier in Ugandađ„°đ„°đ„°.
Comments