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AutorenbildRita Juri

08.04.2022 heute hilfst du mir, morgen helfe ich dir

Janine´s letzter Tag im Township ist angebrochen. Sie möchte noch einmal ins learn to read und am Nachmittag ins seeds4kids zur Bible Study, um sich von den Kids zu verabschieden. Im learn to read kaum richtig drinnen, rennen die Kids auf uns zu und holen sich ihre Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten bei uns ab. Es ist ein schönes Gefühl mit ihnen zu sein. Sie saugen die Liebe förmlich auf und geniessen sichtlich. Gestern habe ich Ballone gekauft, weil ich in der Vergangenheit gesehen habe, dass sie so eine Freude damit haben. Es war ein voller Erfolg, sie haben gespielt, gelacht, Fussball gespielt, sich um die Ballone gestritten, sind auf sie drauf gelegen, bis sie geplatzt sind, dann haben sie sich so erschrocken, dass sie geweint haben, der ganz normale Wahnsinn halt 😃😃😃. Janine hat das Kuscheln mit den Kleinen sehr genossen, ich habe sie kaum wegbekommen 😊.


Gestern am Strand haben wir mit den Power-Girls ein paar Gruppenbilder gemacht, Janine wollte ihnen und sich selbst je ein Bild schenken zur Erinnerung an die gemeinsame Zeit. So sind wir Fotos ausdrucken gegangen, die Fotorahmen hatten wir schon und Janine hat die Bilder zuhause dann schön hergerichtet, mit persönlichen Worten an die Power-Girls. Ist echt herzig geworden, seht selbst.


Nach der Bible Study hat sie den Power-Girls das Geschenk übergeben. Sie waren komplett emotional aufgedreht, freuten sich so sehr über diese Wertschätzung. 2 der Mädels haben ihr einen Brief geschrieben zum Abschied. Sie soll doch bitte wiederkommen und Zeit mit ihnen verbringen. Sie werden sie vermissen und NIEMALS vergessen 💓💓💓. Was für emotionale Momente. Da passiert soviel Bindung in so kurzer Zeit, ich denke das liegt daran, dass wir die Zeit so intensiv miteinander nutzen. Auch für Janine war es schwer, wieder loszulassen und zu gehen. Diese Zeit wird bestimmt auch für sie unvergesslich sein. So einen tiefen Einblick in das Leben im Township bekommt man als Tourist niemals. Und auch wir kennen nur einen Bruchteil dieser Leben. Soviele Umarmungen und Gefühle im Hochkonzentrat sind nicht einfach zu verdauen und schon gar nicht zu vergessen.


Während der Bible Study kam Lisi auf mich zu und fragte, ob ich heute Zeit hätte, mit ihr zu reden. Sie hat gestern auf der Rückfahrt von Bettys Bay schon begonnen, ein wenig von sich und ihrer Lebenssituation zu erzählen, da habe ich sie aber gebeten, einen anderen Zeitpunkt zu suchen, wo ich mich vollkommen auf sie konzentrieren kann. Das hat sie dann heute getan. Ich sagte ihr zu, dass ich nach der Bible Study ca. 30 Minuten Zeit hätte, danach haben wir mit Crezelda und Kajro abgemacht, dass wir sie zum Abendessen einladen. Lisi war einverstanden. Ich fragte sie auch, ob es okay ist, wenn Janine mit dabei sei, auch da sagte sie zu. So haben wir uns nach der Bible Study zusammengesetzt und sie hat erzählt. Sie ist 14 Jahre alt. Sie lebt im Township bei ihrer Tante und ihren Cousinen und Cousins. Alles ist soweit gut. ABER, 2016 hat sie eine ihrer Tanten verloren, sie ist viel zu jung nach schwerer Krankheit verstorben. Lisi hat mit ihrer Tante und ihrer Mama in Eastern Cape zusammengelebt. Ihr ehemaliger Wohnort ist ca. 1300km weit entfernt. Ihr Papa lebt ca. 60km von Hermanus weg. Mit ihm hat sie aber wenig Kontakt, da hat sie auch wenig darüber erzählt. Auch ihr Opa hat im gleichen Township wie Mama und Tante gelebt. Nicht im selben Haus, aber nicht weit entfernt. Zu ihm hatte sie eine tolle Beziehung. So, in Eastern Cape gibt es zwar Schulen, aber zuwenig Lehrer. Trotzdem findet Schule statt, sind ja „nur“ Kinder aus dem Township….das wird schon irgendwie gehen. Lisi wollte jedoch in eine richtige Schule und was Lernen. Sie möchte später eine Geschäftsfrau werden mit ihrer eigenen Firma. So hat sie mit ihrer Mama zusammen entschieden, nach Hermanus zu ihrer Tante zu gehen, damit sie eine ordentliche Schule besuchen kann. Seit Januar 2022 ist sie hier. Mit ihrer Mama hat sie wenig Kontakt, da sie kein Handy hat, respektive ihres kaputt ist. Sie darf jeweils das Telefon ihrer Tante oder ihres Onkels nutzen wenn sie zuhause anrufen möchte. Nun hat sie mächtig Heimweh. Sie weint, während sie erzählt, sie scheint verzweifelt zu sein. Auf der einen Seite möchte sie nach Hause zurück zu ihrer Mam, auf der anderen Seite möchte sie hier die Chance auf eine bessere Bildung nutzen. Ihre Worte „School is my Key“. Damit meint sie, wenn sie etwas aus sich machen möchte, muss sie eine ordentliche Schulbildung haben. Das weiss sie mit 14 Jahren und entscheidet sich dafür, von ihrer Mama getrennt zu leben. Ein Wahnsinn oder? Ich habe sie gefragt, ob sie denn ab und zu mal zu ihrer Mama fahren kann um sie zu besuchen oder die Ferien bei ihr zu verbringen, ihre Antwort, wir haben kein Geld für den Transport. Das beantwortet auch die Frage, ob ihre Mama sie ab und an besuchen könnte.

Auf meine Frage, was sie sich nun wünscht, hat sie keine Antwort. Emotional gesehen möchte sie nach Hause zu ihrer Mam, ihr Verstand sagt ihr, dass sie durchhalten muss für einen guten Schulabschluss. Sie meint, ich werde durchhalten und hierbleiben.

Es ist ein fürchterlich zu sehen, wie das Mädchen sich quält, sie möchte so gerne stark sein, gleichzeitig braucht sie eine Mama, die sich um sie kümmert und die für sie da ist. Immer wieder rinnen ihr die Tränen übers Gesicht. Ich sage ihr, dass wir ihr helfen würden. Wir den Weg nicht kennen, wir auch nicht wissen, was richtig und was falsch ist, wir aber vielleicht Möglichkeiten schaffen können, dass es etwas leichter wird für sie. Dass sie vielleicht mehr im Kontakt mit ihrer Mam sein kann, sei dies in Form eines Telefons, oder gelegentlichen Besuchen bei ihrer Mam.

Sie wird nun ihren Onkel fragen, ob er ihr Telefon reparieren kann. Am Montag wird sie mir Bescheid geben. Sie hat mit meinem Telefon versucht, ihre Mam anzurufen, leider hat sie nicht abgehoben, no Airtime, heisst, kein Guthaben auf der Sim-Karte. Sie hat ihr dann eine Nachricht geschickt, wenn ihre Mam sich bei mir zurückmelden wird, werde ich mit ihr über die Situation reden, Lisi ist einverstanden damit.

Diese Lebensgeschichten berühren mich ganz besonders, da ich selbst Mama bin. Am liebsten hätte ich sie ins Auto gepackt und zu ihrer Mama gebracht. Doch wer weiss, was sie dort erwartet? War es wirklich nur Lisis Wunsch, nach Hermanus zu gehen für eine bessere Schulbildung? Oder steckt noch etwas anderes dahinter? Was ist mit ihrem Dad, der nicht so weit von ihr entfernt lebt? Warum kümmert er sich nicht um Lisi? Wie ist die Beziehung zu ihrer Tante und ihrem Onkel bei denen sie lebt? Erneut, Fragen über Fragen. Ich lasse jetzt einmal die Zeit einwenig arbeiten. Ich werde mit ihr im Gespräch bleiben, vielleicht finden wir noch mehr heraus und wissen dann, was die beste und nachhaltigste Hilfe für sie sein kann. Ich mag Lisi sehr gern. Sie ist von Anfang an in meiner Gruppe und kommt regelmässig zu meinen Aktivitäten. Nur zu gerne möchte ich ihr helfen.

PS: Wir haben Lisi eine Cola gekauft, diese hat sie nicht ausgetrunken sondern mitgenommen. Wir haben sie nach Hause gefahren. Als sie ausgestiegen ist, haben sich einige Kinder um sie herum versammelt. Ich beobachte, wie sie allen Kindern der Reihe nach den Strohhalm in den Mund steckt und ihre Cola mit ihnen teilt💓💓💓.


Crezelda hat Janine und mir je eine Massage geschenkt, welche wir nun in unserer gemeinsamen Zeit hätten einlösen sollen. Dies als Gegenleistung für das mitgebrachte Laptop und meine Hilfe vor Ort. Leider ist die Zeit so schnell verflogen, dass wir nicht dazugekommen sind, die Massagen zu geniessen. Damit wir aber dennoch einwenig Zeit miteinander verbringen können, habe ich sie und Kajro zum Abendessen mit uns eingeladen. Die 2 Massagen werde ich dann später einlösen 😉.


Crezelda ist wirklich sehr zielstrebig und intelligent, sie ist interessiert an anderen Kulturen und nimmt mit Interesse Anteil an unserem Leben. Sie saugt jede Form von Wissen in sich auf. 25 Jahre alt und wirklich schon weit entwickelt. Am Osterwochenende wird sie in ihr neues Shak ziehen mit Kajro. Inge und Hubert schenken ihr Bettdecken, Kissen und Bezüge 💓💓💓.

Sie braucht nun einen Transporter, der ihren Kleiderschrank zügelt. Kostenpunkt, 150 ZAR, ca. € 9. Ich habe ihr gesagt, dass wir das bezahlen. Dann braucht sie WiFi, damit sie für die Schule an Online-Seminaren teilnehmen kann. Es fehlen ihr weitere 900 ZAR, €53 für die WIFI-Installation. Auf meine Frage, wieviel das WiFi denn monatlich kostet, hat sie mir mit 300 ZAR, also knapp € 20, geantwortet. Sie könne sich das leisten meinte sie, es sei kein Luxus, sie brauche das für ihre Ausbildung. Also übernehmen wir die Installationskosten zum Abschluss, respektive zum Neustart in ihr neues Leben. Ich glaube fest an sie und dass sie eine von denen ist, für die es sich lohnt zu investieren.


Vor vielen Jahren hat es in meinem Leben auch Menschen gegeben, die an mich geglaubt haben und die in mich investierten, mich mit Weiterbildungen unterstützten. Ich war und bin ihnen heute noch dankbar dafür. Heute darf ich andere Menschen unterstützen, aber nur dank der Tatsache, dass auch ich unterstützt wurde, so soll sich der Kreis des Guten schliessen. Ich helfe dir, du hilfst mir, für beide Parteien ein schönes Gefühl 💓💓💓.

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