Das Waisenhaus „Fight fort the Future Foundation Uganda“ befindet sich in Kabojja, ca. 16 Km von meinem Zuhause entfernt. Keine Distanz denken wir Europäer, hier ein Weg von einer ¾ Stunde, je nach Verkehr länger. Tägliche Transportkosten rund 20 CHF. Diese Information allein reicht schon aus, mich kritisch zu hinterfragen, ob das Sinn macht für mich, täglich hier zu arbeiten.
Als ich ankam standen rund 35 Kinder draussen und riefen, „welcom our Visitor“❤️, gefolgt von einer grossen Umarmung, in der fast alle Kinder Platz fanden. Yunus und William sind Freunde seit Kindertagen, geschätzt zwischen 30 und 35 Jahre alt, sie gründeten und leiten dieses Waisenhaus gemeinsam. Yunus, selbst verheiratet und Vater, arbeitet in der Stadt um das Überleben der Kinder hier sicherzustellen, ein grosser Teil seines Lohnes fliesst direkt ins Waisenhaus. William ist täglich dort, er lebt mit seiner Mama im Waisenhaus und meint, es ist unser Zuhause, wir sind eine grosse Familie❤️.
Im Waisenhaus leben zur Zeit rund 44 Kinder zwischen Baby und 18 Jahren. Einige Kinder kommen von der Strasse, wissen weder von ihren Eltern noch kennen sie ihr Alter, andere werden einfach abgegeben, Babys werden vor die Tür gelegt, so wächst die Familie immer weiter.
Das Gebäude ist in einem bedenklichen Zustand, es besteht aus einer „Kirche“, damit ist ein grosser Raum gemeint, da findet das gesamte Leben dieser Gemeinschaft statt. Es gibt eine Frau Pastor mit ihrer Familie, sie leben in einem Nebengebäude. Sie betet regelmässig mit der Gemeinschaft.
Fliessend Wasser gibt es nicht, sie fangen das Regenwasser auf, zusätzlich haben sie in den Boden gebohrt und kommen so ab und zu an Wasser. Es reicht weder um 44 Kinder zu waschen noch um zu kochen.
dieses bisschen Wasser soll für 44 Kinder und einige Erwachsene reichen um sich zu waschen und zu kochen, geregnet hat es leider schon länger nicht mehr.
In die offizielle Schule können von diesen 44 Kindern aktuell 8, für die anderen ist kein Geld, um das Schulgeld/Bücher/Uniform zu begleichen. So unterrichten sie die Kinder selbst, in einem zugemieteten Gebäude, haben eine Lehrerin angestellt, welche jeden Vormittag jene Kinder unterrichtet, bei denen die Chance besteht, dass sie eines Tages in eine offizielle Schule wechseln können. Aussortiert wird nach anscheinendem IQ.
1. Foto, das Gebäude, für welches sie Miete bezahlen müssen, 2. Foto, die Lehrerin, 3. und 4. Foto die Klassenzimmer.
Das Waisenhaus arbeitet gut mit der Nachbarschaft zusammen. So leben gleich nebenan in drei kleinen Gebäuden 3 ältere Frauen, diese kochen täglich für die Kinder und umsorgen sie. Manche Kinder dürfen bei den Frauen schlafen, für ein wenig „Mama-Wärme“❤️.
Auch mit einem Lebensmittelstand an der Strasse sind sie gut vernetzt, wenn kein Geld für Essen da ist, dürfen sie manchmal einen Sack Porridge (Maismehl) holen und im nächsten Monat bezahlen❤️.
Pro Tag gibt es eine Mahlzeit, das ist die Norm. In besseren Zeiten bekommen die Kids auch mal ein Frühstück, Porridge. Eine Mahlzeit besteht in der Regel aus Porridge und einer wässrigen, nach Fleisch schmeckenden Sauce. Jeden Tag! Eine Mahlzeit! Dasselbe! Das ist die günstigste Verpflegungsform und sie sättigt. Die Nachbarschaft und die Pastorfamilie haben ein paar Geissen, die draussen rumspringen, wenn diese geschlachtet werden, wird geteilt. Dann bekommen auch die Kinder einmal ein kleines Stück Fleisch.
Und hier wird gekocht, sie nennen diesen Platz Küche.
Das Waisenhaus hat eine gute Philosophie in meinem Empfinden, so nehmen sie beispielsweise auch alleinerziehende Mamas mit ihren Kindern auf, diese Mamas sind dann verpflichtet, mitzuhelfen. Putzen, kochen, mit den Kindern sein. Es ist ein Geben und ein Nehmen❤️.
Babies tragen hier keine Windeln, dafür ist kein Geld, es werden ihnen einfache Tücher, die man auswaschen kann, um den Popo gewickelt.
Geschlafen wird in der Kirche, am Boden, im gesamten Waisenhaus sind 6! Matratzen. Yunus meint, sie rücken halt zusammen, teilen den Platz auf den Matratzen. Das klingt gut und recht, aber da haben wir wohl alle genügend Fantasie, um zu wissen, dass sich das niemals aufgeht.
Ein Junge, ca. 14 Jahre, zeigt mir, wie er jeweils am Boden schläft und einfach eine Hand unter seinen Kopf hält. Wir reden von einem Betonboden, zumindest haben sie ein paar Teppiche, über den Zustand derer reden wir nicht, besser als nichts. Auf meine Frage nach Decken meinten sie, es ist eh schön warm hier drin, somit erübrigt sich auch die Frage nach einem Kissen.
Jeden Abend und Morgen werden hier die paar wenigen Matratzen ausgebreitet und wieder versorgt, damit tagsüber Raum zum Sein ist.
Kleidung wird von so vielen Kindern nachgetragen, bis es wirklich nicht mehr geht.
Die Kinder sind so herzig, liebesbedürftig, aufmerksamkeitssuchend, anständig, ich hatte den Eindruck, dass sie sich alle sehr gefreut haben über ihren Visitor. Mit ihnen im Kreis am Boden zu sitzen, hat mir ein Gefühl von Familie vermittelt, alle sind gleich, alle sind mit den gleichen Themen beschäftigt, wann gibt es die nächste Mahlzeit? Ich bin durstig! Darf ich vielleicht eines Tages zur Schule gehen?
Hilfe bekommt die Organisation keine, weder vom Government noch von ausländischen Spendern. Sie sind zu weit weg vom Schuss, als dass wirklich öfters wer vorbeikommen würde, um zu helfen. Das Government macht ihnen Auflagen und verlangt, dass jedes Kind ein eigenes Bett braucht, andernfalls werden sie eines Tages kommen und dieses Waisenhaus schliessen. Yunus und William lassen sich ihre Sorgen nicht anmerken, ich kann mir auch so gut vorstellen, wie sich das für sie anfühlen muss. Was wird dann aus den Kindern? Eigentlich denke ich mir, „schlimmer“ als es ist, kann es nicht mehr kommen, doch, es kann.
Im Anschluss hatte ich ein wertvolles Gespräch mit Yunus und William. Jeden Tag dahin arbeiten kommen werde ich nicht, das macht keinen Sinn, nur schon die Fahrtkosten würde ich lieber in Matratzen für die Kinder investieren. Aber vielleicht finde ich hier in Uganda eine andere Form der Hilfe? Zum Beispiel im Aufbau einer Website für dieses Waisenhaus? Dann Portraits erstellen zu jedem Kind und ihnen helfen, Patenschaften für die Kinder zu bekommen? Oder ein Fundraising für die Organisation, damit sie Betten/Matratzen beschaffen könnten oder die monatlichen Kosten für fliessend Wasser begleichen könnten? Ich könnte mir gut vorstellen, in dieser Form tätig zu werden, und es ist etwas, das in der Zukunft nicht an mich gebunden ist. Die Website gehört dann ihnen, die Initialkosten dafür könnten wir übernehmen, meine Arbeit ist eh for free, sie könnten sie, wenn die Website mal steht, diese selbst pflegen und den Content anpassen. Yunus würde sich das durchaus zutrauen.
Die zwei Initianten, Yunus und William:
Auch heute sehe ich mir ein Waisenhaus an, sofern mein Driver mich abholen kommt, denn nur er weiss, wo sich dieses Waisenhaus versteckt, allenfalls wäre es wirklich eine Idee, den unterschiedlichsten Waisenhäusern hier in dieser Form Unterstützung zu geben, damit sie an Reichweite gewinnen, damit sie eher gefunden und gesehen werden können, weltweit.
Nach dem gestrigen Besuch im Waisenhaus, haderte ich wirklich und ernsthaft mit der Welt. Warum wird so etwas zugelassen? Warum müssen Menschen in solch menschen-unwürdigen Zuständen aufwachsen und leben? Warum wird den Kindern Bildung verwehrt, denken wir nur einen Schritt weiter, was wird aus ihnen, wenn sie erwachsen sind? Ohne Bildung? Ohne richtige Mahlzeiten? Ohne Vorbilder? Und so wird sich der Kreislauf immer wieder in dieser destruktiven Form schliessen.
Wir alle wissen, dass die Menschen in Afrika arm sind, aber wenn du das siehst, dann ist Armut nicht die richtige Bezeichnung. Das ist Elend.
Ich frage mich, ist es wirklich so unglaublich schwierig, Länder zu entwickeln? Seit ich denken kann ist in Teilen Afrikas Hungersnot und bestimmt schon viele Jahre davor. Ich erinnere mich an den März 2020, da war es möglich, weltweit!!! eine Maskenpflicht zu verordnen, die sich durch alle Schichten durchgesetzt hat. Aber es ist nicht möglich, Menschen weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen? Wir ersticken in unseren Breitengraden an Möglichkeiten, verlieren die Orientierung im Ozean der Auswahl, brauchen oft psychische Unterstützung um uns in unseren Leben zurecht zu finden, usw. und sie verhungern…..?!
Ich bin tiefbetroffen, so ein riesiges, existenzielles Vakuum hätte ich nicht erwartet, möge man mich naiv bezeichnen. Das Township in Hermanus war NICHTS! im Vergleich zu den Waisenhäusern hier. Die Not ist unglaublich gross, die Liebe die sie uns entgegen bringen, grenzenlos, die Hoffnung in ihren Blicken endlos. Ich hoffe und bete, dass ich hier etwas gutes bewirken kann in meiner Zeit❤️❤️❤️.
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